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PJ-Bericht: Allgemeinchirurgie in Kantonsspital Liestal open_in_new (8/2009 bis 10/2009)

Station(en)
3 A, B, C, D und Notfall
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Mainz
comment Kommentar

Mein neunwöchiger Aufenthalt in der Chirurgie des Kantonsspitals Liestal hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Ich kann die negativen Bewertungen absolut nicht nachvollziehen und sind mir nur durch mangelnde (chirurgische) Motivation oder völlig unrealistische Vorstellungen zu erklären.

Die Atmosphäre im Kantonsspital ist überraschend freundlich, man wird herzlich aufgenommen und nimmt, wenn man am Anfang des Monats die Stelle antritt, am Einführungstag für neue Mitarbeiter teil. Auf Station werden neue Unterassistenten (= Uhus) vor allem von erfahreneren Uhus eingearbeitet. Aber auch die Ärzte sind fast immer bereit, Fragen zu beantworten. Da man Gehalt bekommt, wird natürlich verständlicherweise erwartet, dass man auch richtig arbeitet. Im August 2009 wurde das Gehalt von Unterassistenten erfreulicherweise um 70 % von 1000 auf 1700 Franken erhöht. Davon erhält man nach Abzug von Steuern und Abgaben ca. 1200 Franken, im ersten Monat allerdings aufgrund von Anmeldungsgebühren und Endreinigung weniger. Man kann von dem Geld in der Schweiz gut leben, selbst wenn dort Lebensmittel um einiges teurer sind als in Deutschland. Deshalb lohnte es sich auch zum Einkaufen in Gruppen mit dem Auto über die Grenze nach Rheinfelden zu Aldi und Lidl zu fahren (ca. 15 min entfernt).

Ein typischer Arbeitstag begann um kurz nach 7 Uhr mit der Stationsvisite. Diese wurde von dem Stationsarzt und Unterassistent und manchmal mit dem jeweiligen Oberarzt durchgeführt. Um halb acht folgte der Morgenrapport, bei dem Patienten besprochen und Bilder von OPs gezeigt wurden. Die Unterassistenten sitzen bei den Rapports am Rand des Raumes (am Tisch wäre auch kein Platz gewesen) und haben die Aufgabe den Computer und Beamer zu bedienen. Dies empfand ich im Gegensatz zu anderen Bewertungen aber keineswegs als Abwertung der Unterassistenten. Nach dem Rapport teilten sich die Uhus selbstständig für die Operationen des Tages ein und gingen entweder direkt in den OP oder auf Station.

Auf Station bestand unsere Aufgabe vor allem aus Aufnahmen mit Anamnese und körperlicher Untersuchung von elektiv am Tag vor der OP eintretenden Patienten. Diese wurden nach dem Eingeben in den PC dem Stationsarzt vorgestellt und besprochen. Natürlich wollte jeder Arzt dies im Detail etwas anders haben, was allerdings mit etwas Flexibilität und Kritikfähigkeit kein Problem darstellen sollte. Teilweise war man auch allein für die Station zuständig und dann Ansprechpartner für das im Vergleich zu deutschen Schwestern und Pflegern exzellent ausgebildete und freundliche Pflegepersonal, wenn der Stationsarzt im OP war. Daneben fielen auch Bürotätigkeiten wie Anmeldungen von Untersuchungen, Telefonate mit anderen Ärzten und Spitälern und Übertragen von Berichten in den Computer an, also „nichtärztliche Tätigkeiten“, welche aber später als Arzt auch einen großen Teil der Arbeit ausmachen. Ich empfand dies daher keinesfalls als Zumutung, sondern als Entlastung für den Stationsarzt. Wenn man keine Zeit dafür hatte, haben die Ärzte dies auch selbst erledigt.

Im OP gehörte natürlich das Hakenhalten zu unseren Aufgaben, aber in der Chirurgie sollte dies niemanden wundern. Wer sich darüber so beschwert wie meine Vorgänger, ist nicht nur für die Chirurgie ungeeignet, sondern wohl auch absolut naiv. Jedenfalls empfand ich die Atmosphäre im OP meistens als ziemlich freundlich und entspannt, natürlich abhängig vom jeweiligen Operateur und Oberarzt. Fragen wurden eigentlich immer beantwortet, manche Operateure legten auch sehr großen Wert darauf, dass man interessante Strukturen oder Vorgänge sehen und auch fühlen sollte. Natürlich muss man wissen, in welchen Situationen man etwas fragen kann oder wann man eher die Konzentration des Chirurgen nicht stören sollte. Obwohl aber zum Beispiel der Chefarzt aufgrund seiner manchmal etwas schwierigen Art (d.h. in schwierigen Situationen etwas sehr cholerisch) nicht nur unter Unterassistenten etwas gefürchtet war, kann ich selbst über Chef-OPs wenig Negatives berichten, da er zu mir immer sehr korrekt und freundlich war und auch meine Fragen geduldig beantwortet hat.

Neben dem Hakenhalten wurde von den Unterassistenten das Licht eingestellt und je nach Situation und Operateur der Sauger (Schweizerdeutsch: „die Sugi“) bedient. Am Ende der OP wurde durch die Uhus getackert und (leider selten) genäht. Ein wichtiger Kritikpunkt wirklich, dass eben relativ wenig von Studenten genäht werden durfte.

Die Unterassistenten wurden zu den OPs jeweils über ihre Funker gerufen, sodass der Patient meistens schon fertig gelagert bereit lag und man wenig Zeit wartend im OP verbringen musste. In längeren Operationen durften die Uhus den Tisch verlassen, wenn sie nicht gebraucht wurden und später bei Bedarf erst wieder gerufen. (Kein Uhu musste 8-12 Std bei einer Whipple am Tisch stehen, anders als in vielen deutschen Krankenhäusern).

Vom OP-Personal waren fast alle wirklich freundlich und entgegenkommend, so auch die es in Deutschland gar nicht gebenden Lagerungspfleger. Selbstverständlich war es unsere Aufgabe auch diese bei ihrer Arbeit zu unterstützen und dementsprechend uns auch anweisen zu lassen. Ist man sich zu so etwas zu wichtig, wie in anderen Bewertungen beschrieben, hat man in einem Team und im OP absolut nichts verloren.

Um 15 Uhr am Nachmittag fand der tägliche Röntgenrapport statt (in einem dunklen, kühlen Raum, welcher sehr zum Einschlafen verleitete). Bei Abwesenheit des eigenen Stationsarztes, mussten die jeweiligen Unterassistenten sich dort über die Patienten informieren und Fragen stellen. Es folgte der Nachmittagsrapport, bei welchem wieder ähnlich wie morgens die Stationen besprochen wurden. Gegen 16 Uhr war dieser im Normalfall beendet und man ging auf Station zurück. Je nachdem wieviel dort noch an Arbeit anlag, durfte man nach Hause gehen. Meistens war dies zwischen 16 Uhr und 16.30 Uhr der Fall.

Die chirurgischen Uhus rotieren abwechselnd für ein paar Wochen in die Orthopädie und auf den Notfall. Da ich nur 9 Wochen in Liestal verbrachte, war ich nicht in der Ortho aber zwei Wochen im Notfall. Dort arbeitete man zum großen Teil sehr selbstständig, untersuchte Patienten, schickte sie zu Untersuchungen, besprach die erhobenen Befunde und weitere Prozedere mit dem Notfallarzt, schrieb vollständig die Briefe und nähte Wunden oder führte auch kleiner Eingriffe selbst durch. Es war echt ein Highlight und hat viel Spaß gemacht.

Mehrmals im Monat hatte man unter der Woche OP-Rufdienste für die Chirurgie und die Orthopädie zu besetzen, sodass man manchmal nachts im OP stehen musste. Auch wenn es dafür offiziell keine Kompensation gab, konnten wir Uhus es dann meistens unter uns so regeln, dass derjenige sich ausschlafen gehen konnte. Für Wochenenddienste gab es zwei Tage frei. Diese bestanden einem Tag Rufbereitschaft und einer 12 Stundenschicht im Notfall.

Fortbildungen wurden von dem für die Uhus zuständigen Oberarzt gehalten, leider recht selten und unregelmäßig. Der betreuende Oberarzt war aber immer sehr freundlich und sehr bemüht, sich um uns zu kümmern und an unserer Meinung und Kritik interessiert.

Wir chirurgischen Uhus hatten das Glück, einen Nahtkurs bei den Orthopäden mitmachen zu können. Auch im Tumorboard, bei welchem interdisziplinär jeden Mittwochnachmittag Patienten besprochen wurden, waren Uhus willkommen (allerdings aufgrund der späten Uhrzeit eher selten anwesend). Am ersten Montag im Monat, wurde im Rahmen des Morgenrapport von einem Assistenten eine Studie vorgestellt und besprochen.

Zur Hierarchie in Liestal muss ich aus meiner Sicht sagen, dass ich sie im Gegensatz zu dem Vorbericht als wirklich flach empfand. Bis auf die leitenden OAs und den Chef duzten sich alle untereinander und es kam mehrmals vor, dass ich mittags allein mit einem Oberarzt beim Essen saß und mich auf einer Ebene mit ihm unterhalten konnte.

Zum Mittagessen wurde in der Kantine für 9 Franken ein Menü oder für 5 Franken ein meist sehr reichhaltiger Snack angeboten. Alternativ gab es ein Salatbuffet und rund um die Uhr belegte Brötchen, Müsli und ähnliches. Mittagessen war meistens möglich, es sei denn man war zu der Zeit im OP. In dem Fall musste man sich eben ein Brötchen kaufen, in der Chirurgie ist dies sicher nichts Dramatisches, über das man sich aufregen müsste.

Zum Ansehen der

Unterassistenten: ich habe meine Arbeit immer als von den Ärzten geschätzt und anerkannt empfunden. Man wurde bei Patienten nicht wie in Deutschland als „der Student“, sondern als „Arzt und Ausbildung“ oder „junger Kollege, der mit die Station führt“ vorgestellt. Man war Teil des Teams und wurde auch so behandel. Auch privat verstand man sich mit den Assistenzärzten zumeist wirklich gut. Die Uhus waren zu außerklinischen Veranstaltungen wie Spagetti-Essen bei einem Assistenten oder dem Sommerfest der Chirurgie immer herzlichst eingeladen.

Über abfällige Kommentare über Deutsche, welche meistens weder ernst noch böse gemeint sind, kann ich nur sagen, dass wir Deutschen mindestens so viel über die Schweizer gelästert und gelächelt haben. Gewöhnungsbedürftig war sicherlich anfangs das Schweizerdeutsch: die ersten Tage hat man fast nichts verstanden. Innerhalb kurzer Zeit und mit etwas gutem Willen hört man sich aber sehr schnell ein und versteht dann fast alles. Ich persönlich habe auch nie erwartet, dass Ärzte oder Patienten mit mir hochdeutsch sprechen müssen, sondern mich angepasst und im Zweifel eben nachgefragt. Schließlich sind wir Deutschen nun mal Gast in der Schweiz und haben uns entsprechend Mühe zu geben, das Schweizerdeutsch zu verstehen.

Untergebracht waren die Uhus in zwei Wohnheimen, im Haus Mühlematt und Haus Feldsäge. Ich war in der Feldsäge, wo die meisten Uhus und auch Ärzte und anderes Personal untergebracht sind.

Die Zimmer sind etwas alt, aber für den Preis (weniger als 190 €) mehr als angemessen. Viel Zeit habe ich außer zum Schlafen dort eh nicht verbracht. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, für die man sich aber am besten etwas eigenes Geschirr mitbringen sollte. Außerdem ist in jedem Stockwerk einen großen Gemeinschaftsraum mit Fernseher und zwei Terrassen, zusätzlich eine große Dachterrasse. (siehe auch die Bilder) Das Leben im Wohnheim habe ich alles andere als als „Knastleben“ empfunden, sondern mich sehr wohl gefühlt.

Die Freizeit kam in den 9 Wochen in der Schweiz absolut nicht zu kurz. Uhus verschiedener Disziplinen, einige dort wohnende Ärzte und anderes Personal haben gemeinsam die Abende auf der Terrasse oder im Gemeinschaftsraum verbracht. Wir haben an den Wochenenden Ausflüge in die Schweiz gemacht (mit Auto aufgrund des günstigen Benzins wirklich empfehlenswert), ab und zu auf der Dachterrasse gegrillt oder sind in Basel weg gewesen. Die Stimmung im Wohnheim war wirklich exzellent und wir hatten sehr viel Spaß. Leider gab es kein Internet im Wohnheim, aber der McDonalds mit öffentlichem und kostenlosem Wireless-LAN Point war nicht weit entfernt.

Liestal selbst ist eine schöne kleine Stadt, aber wer großes Nachtleben und Großstadtfeeling dort erwartet wird natürlich enttäuscht. Es liegt allerdings auch nur 10 Minuten mit der Bahn von Basel entfernt. Ich empfand Liestal als ein sehr charmantes Städtchen mit wirklich guter Lage für Ausflüge in die Nord- und Mittelschweiz.

Insgesamt kann ich die schlechten Bewertungen der Chirurgie in Liestal absolut nicht verstehen, die Guten entsprechen weit eher der Realität. Von den Ärzten wurde uns aber auch über eine Gruppe von Uhus vor uns berichtet, unter denen eine sehr schlechte Stimmung geherrscht habe und welche sich auch nicht allzu gut angestellt hätten. Ich kann nur davor warnen, diesen Bewertungen zu große Beachtung zu schenken und finde es schade, dass einige desinteressierte, unmotivierte Studenten mit falschen Vorstellungen von der Chirurgie versuchen hier am Kantonsspital Liestal Rufmord zu begehen. Vielleicht hatten diejenigen auch etwas Pech und waren im Gegensatz zu uns mit weniger Uhus besetzt. Letztendlich ist aber alles eine Sache der Einstellung und Motivation, was man aus seinem Aufenthalt in Liestal macht. Dass ein Schweiz-Tertial aber auch wirklich Arbeit bedeutet, sollte einem schon vorher bewusst sein.

Genau wie die meisten meiner Kollegen war ich jedenfalls ziemlich zufrieden und hatte viel Spaß. Ich würde jederzeit auch wieder nach Liestal gehen und kann es auch nur anderen empfehlen.

Im Gegensatz zu den anderen Verfassern der Liestalberichte gebe ich meine Emailadresse an und beantworte gerne Fragen zu den tatsächlichen Verhältnissen dort.

Bewerbung

1,5 Jahre vor Stellenantritt

Wohnheimszimmer
Das Spital
Gemeinschaftsraum und Terrasse
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Bildgebung
Sonst. Fortbildung
Nahtkurs
Tätigkeiten
Briefe schreiben
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Botengänge (Nichtärztl.)
Untersuchungen anmelden
Patienten aufnehmen
Chirurgische Wundversorgung
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Gehalt in EUR
1133
Gebühren in EUR
320

grade Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
4
Betreuung
2
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1